Falzarten von Flyern

Falzarten von Flyern. Oder: Von fliegenden Blättern und Schriften

Kaum ein Druckmedium ist so variabel produzier- und einsetzbar wie ein Flyer bzw. ein Flugblatt

Falzarten

Kaum ein Druckmedium ist so variabel produzier- und einsetzbar wie ein Flyer bzw. ein Flugblatt. Mit etwas Geschick und Fantasie kann ein kleines, privat erbasteltes Geschenk oder ein künstlerisch gestaltetes Kunstwerk entstehen.

Studenten wehren sich mit durchkopierten Infoblättern gegen verfehlte Studienordnungen. Der ‘Fleischer an der Ecke’ legt den Wochenplan fürs mitnehmbare Mittagessen aus. In einer Kneipe erhascht man einen Hinweis auf Kulturveranstaltungen, ein Unternehmen aus der Energiebranche präsentiert seine neue Solartechnik, in beiden Fällen professionell von Designern erstellt und von Druckereien vervielfältigt. Der Grund für diesen Variantenreichtum ist die relative Einfachheit und der geringe Kostenaufwand in Relation zu den jeweiligen Möglichkeiten und Positionierungen.

Der Begriff Flyer ist im vergangenen Jahrhundert aus dem Englischen entlehnt worden, im Zuge einer allgemeinen Tendenz, Worte aus diesem Sprachraum einzudeutschen. Ohne verlässliche Daten unterlasse ich es besser, mich relativ eindeutig festzulegen, ob dies noch innerhalb der 80er Jahre oder erst in den 90er Jahren geschah. Der Begriff Flugblatt ist älter, seit Ende des 18. Jahrhunderts nachweisbar. Der Sache nach hatte das Medium aber schon zuvor gegeben. Die Erfindung des Drucks – nicht bloß des Buchdrucks – war der entscheidende kulturelle Fortschrift gewesen, auch ‘fliegende Schriften’ und ‘fliegende Blätter’ in Umlauf zu bringen. Davon profitierten vor allem traditionelle Geistliche als auch die reformatorisch und humanistisch gesinnte Gelehrte.

Das Leporello

Ein Flyer bzw. Flugblatt besteht aus einem einfachen oder gefalteten Blatt. Umgangssprachlich wird nicht selten das Leporello als der Flyer bezeichnet, in Zickzackform gefalzt, einfache Blätter hingegen als bloße Zettel (Handzettel) abgetan. Das Spektrum von Papierqualitäten für einfache Blätter und für gebräuchliche Faltungen ist jedoch viel breiter. Die papierne Ziehhamoniker demonstriert längst nicht die einzige Form, Papier zur Präsentation von Bildern und Schrift platzsparend zu falzen. Weil das Leporello aber zu den poplärsten Formen zählt, sei es besonders hervorgehoben.

Die Bezeichnung ist aus dem Lateinischen gebildet: Lepor (lat.) bedeutet der anmutige Witz bzw. die geistreiche Pointe (in Reden). Noch heute gibt es den italienischen Familiennamen Lepore. Der sprachliche Bezug scheint sich jedoch auf die altrömische Rhethorik zu beschränken. Ello ist eine lat. Verkleinerungsform. Ob diese schon in damaligen Zeiten für manche Pointe in Gebrauch war, ist mir unbekannt. Als Name eines Dieners taucht Leporello in Mozarts Oper Don Giovanni auf. Der gewitzte Mann hat die Liebschaften seines Herrn auf einem schier endlos langen aber gefalteten Blatt verzeichnet. Sein Name wurde zur Bezeichnung der Falzform genutzt.

Das Konzept ist leicht anschaulich zu machen: Zunächst ist abzuschätzen, wieviele gefalzte Spalten man benötigt. Dann wird ein hochkant liegendes Blatt zwei- oder mehrmals in gleichen Abständen waagerecht gefaltet, und zwar abwechselnd nach vorne und nach hinten. Dadurch entsteht der Ziehharmonika Effekt. Zwei Falzungen ergeben inklusive Vorder- und Rückseite sechs separate Spalten, drei Falzungen acht. Legt man das Blatt nun quer, hat man die Spalten vor sich und kann die inhaltliche Planung konkret angehen, z.B. durch Unterstützung eines Designers. Um genau zu wissen, wie die durch eine Druckerei herzustellenden Daten aussehen müssen, sind die notwendigen Informationen aber im Vorfeld einzuholen. Firepilot gibt seinen Kunden eine Auswahl an Möglichkeiten, dem Bedarf an Spalten, Papier, Größen, Auflage usw. gerecht zu werden, ebenfalls viele konkrete Hinweise: Auswahl [Link]

Weitere Parallelfalze

Einen prosaischen Eigennamen hat lediglich das Leporello erhalten. Weitere Gestaltungsmöglichkeiten werden nach den Faltungen / Falzungen / Brüchen bezeichnet, die dem jeweiligen Papier zugefügt werden. Beim Leporelle sind die Falzungen parallel zueinander angeordnet. Weitere Falzungen des gleichen Typs sind die Lagen- bzw. Einbruchfalz, die Doppelparallelfalz, die Wickelfalz und die Fenster- bzw. Altarfalz. Unterschiedlich sind primär die Richtungen, in die das Papier gefaltet wird. Dadurch erhält der Falzflyer eine jeweils andere Anmutung.

Die Lagen bzw. Einbruchfalz – das Wort Einbruchfalz kaschiert mit doppelt gemoppelter ‘bruchfalz’ die korrekteren aber doch emotional zwiespätligen Bezeichnungen ‘Einbruch’ bzw. ‘Einfalz’ – bietet die einfachste Form der Faltung: Es wird nur eine vorgenommen. Technisch dürfte die Verarbeitung einer mittig angelegten Faltung am leichtesten zu bewältigen sein. Die Falzung gibt dem Blatt die Anmutung eines kleinen Heftes oder einer Klappkarte, je nach Papierstärke und Maß. Bei der Doppelparallelfalz wird die Falzung noch einmal (mittig) wiederholt, so dass beide Falzungen über- bzw. ineinanderliegen. Beim Betrachten oder Lesen kann man Eindruck erhalten, man habe sich geradezu hineinzuwinden. Vielleicht spannend zur Präsentation einer Bilderserie. Die Wickelfalz entsteht durch zwei parallele Faltungen, wobei die rechte Spalte vor- und eingeklappt wird, bevor die linke gleich einem Deckel aufgelegt wird. Unter der eingeklappten Spalte ließe sich leicht etwas verstecken, ohne dass es gleich auffällt: interessant für anvisierte Überraschungen. Fenster- oder Altarfalz erinnern stark an alte Flügelaltäre aus der Renaissance: Was man mit solchen Assoziationen jedoch heute erfolgreich vermitteln wolle, müsste man mir erst beibringen.

Flyerpilot bietet auch zahlreiche Falzvarianten für den Falzflyer an.

Der Kreuzbruch

Als letztes Beispiel führe ich den Kreuzbruch an. Als Besonderheit bietet er die Möglichkeit, im aufgeklappten Zustand eine Großansicht zu erlauben, ob nun eine von Produkten oder als Wanderkarte. Einfach vorstellen läßt sich diese Falzform, in dem man mit dem Lagen- bzw. Einbruchfalz beginnt. Die beiden erhaltenen Spalten geben den Raum für die Großansicht. Klappt man sie zusammen und faltet nach einer Drehung um 90 Grad erneut, sieht man oberflächlich einen heftähnlichen Zustand. Traditionell ist der Kreuzbruch mit der Buch- und Zeitschriftenherstellung verbunden: Für diesen Fall wäre noch ein Schnitt dort anzubringen, wo die erste Falz angelegt wurde, damit separate Seiten entstehen können. Doch nicht in jedem Fall: Die Friedenauer Presse aus Berlin hat die Leser in den Produktionsprozess eingebunden und Bücher unbeschitten ausgeliefert. Im vorliegenden Kontext, bei der Flyerkonzeption, muss auf dieses Thema aber nicht weiter eingegangen werden.

Flyerpilot bietet auch zahlreiche Falzvarianten für den Falzflyer an.

Mir lag daran, eine möglichst simple Beschreibung der Faltvorgänge zu geben. Bei der Planung eines Flyer sollte man sich Dummies aus Büropapier anfertigen, um nicht den Überblick zu verlieren. So bleibt in der Regel gewährleistet, keine Inhalte zu vergessen.